Vertragsstrafe bei Bauverzögerung braucht keine Obergrenze

13. März 2023

Wird eine Vertragsstrafe vereinbart, die bei der verspäteten Übergabe einer noch zu errichtenden Gewerbeimmobilie die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, muss keine Obergrenze gesetzt werden.
OLG Bremen, Urteil vom 9. Dezember 2022, Az. 4 U 20/21

Der Fall
Die Parteien eines Gewerberaummietvertrags über eine noch zu errichtende Immobilie hatten für die Verzögerung des Übergabetermins, der zugleich Mietbeginn sein sollte, eine Vertragsstrafe von 4.500 Euro für jeden Kalendertag der Überschreitung vereinbart. Dies entsprach dem 3,76fachen der Tagesmiete. Eine Obergrenze für die insgesamt zu zahlende Vertragsstrafe war nicht vereinbart. Der Vermieter übergab die Räume 84 Kalendertage nach dem vereinbarten Übergabetermin, und der Mieter forderte eine Vertragsstrafe von 378.000 Euro. Der Vermieter muss die Summe in voller Höhe zahlen, urteilte das OLG Bremen.

Die Folgen
Das Gericht folgt einer Entscheidung des BGH (Az. XII ZR 18/00), wonach es keine Obergrenze geben muss, um eine Vertragsstrafe für die verspätete Übergabe wirksam zu vereinbaren – auch wenn die Strafe für jeden Kalendertag der Verzögerung zu zahlen ist. Nur bei sehr langem Verzug kann es ab einem bestimmten Zeitpunkt, den das Gericht nicht benennt, treuwidrig sein, wenn der Mieter die Fortzahlung der Strafe verlangt. Obwohl die Summe, die der Vermieter hier schuldete, etwa zehn Nettomonatsmieten ausmachte und die Verzögerung weniger als drei Monate betrug, sah das OLG keinen Anlass, die Strafe als unverhältnismäßig hoch zu bewerten und herabzusetzen. Selbst wenn dem Mieter durch die verzögerte Übergabe kein Schaden entsteht, rechtfertigt dies für sich genommen noch nicht die Absenkung der Summe. Vermieter und Mieter sind daher in der Regel an eine vereinbarte Vertragsstrafe auch der Höhe nach gebunden.

Was ist zu tun?
Langfristige Gewerbemietverträge vom Reißbrett enthalten meist Vertragsstrafeversprechen des Vermieters für den Fall, dass sich die Übergabe verzögert. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld gewinnen diese immens an Bedeutung, da Verzögerungen erheblich zunehmen. Jeder Vermieter, der vor der baulichen Fertigstellung einen Mietvertrag abschließt, sollte sich daher bei den Vertragsverhandlungen darum bemühen, die je Kalendertag geschuldete Vertragsstrafe so gering wie möglich zu halten. Zudem sollte er die insgesamt zu zahlende Vertragsstrafe begrenzen. Andernfalls droht ein Szenario, wonach er neben den ohnehin wegen der Verzögerung bereits gestiegenen Planungs- und Baukosten auch eine Vertragsstrafe an den Mieter zahlen muss, deren Höhe schnell eine Jahresmiete oder mehr erreichen kann. Die Entscheidung des OLG Bremen zeigt, dass die Gerichte nicht zugunsten des Vermieters eingreifen, wenn eine hohe Vertragsstrafe erst einmal vereinbart ist. Es obliegt daher der sorgfältigen Vertragsgestaltung des Vermieters, das eigene Risiko angemessen zu reduzieren.

(Quelle: Advant Beiten, Rechtsanwalt Dr. Jochen Reuter von Advant Beiten in Immobilien Zeitung 9.3.2023, Ausgabe 10/2023)