Vollstreckungsschutz gibt es nur mit sehr guter Begründung

28. Oktober 2019

Hat ein Mietschuldner eine Räumungspflicht anerkannt und beantragt dennoch Vollstreckungsschutz, berücksichtigt das Gericht nur Gründe, die nach dem Anerkenntnisurteil entstanden sind. (AG Hannover, Beschluss vom 29. März 2019, Az. 711 M 115430/19)

DER FALL
Ein Mieter war auf Räumung und Herausgabe seiner Wohnung verklagt. Er erkannte den Anspruch vor dem Amtsgericht an und wurde im Februar 2019 dementsprechend verurteilt. Der Räumungstermin sollte rund zwei Monate später stattfinden. Im März 2019 beantragte der Mieter aber Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO. Zur Begründung führte er aus, es läge eine sittenwidrige Härte vor: Er sei wegen der Betreuung seiner Mutter familiär belastet, leide außerdem an einer koronaren Herzerkrankung und habe im Jahr 2016 einen Herzinfarkt erlitten.

DIE FOLGEN
Das AG weist den Antrag zurück. Es gibt dem Mieter auf, bei der Räumung nicht persönlich anwesend zu sein und sich außerdem in hausärztliche oder psychiatrische, bei Bedarf stationäre Behandlung zu begeben. Die Gründe, die er vorgebracht hat, genügen nicht, um die Räumung aufzuschieben. Da er die Räumungspflicht anerkannt hat, dürfen nur Härtegründe berücksichtigt werden, die nach dem Anerkenntnisurteil entstanden sind. Aber die Herzerkrankung und die belastende familiäre Situation waren schon in der mündlichen Verhandlung bekannt. Eine besondere Härte liegt auch deshalb nicht vor, weil eine „Berliner Räumung“ ansteht, was nicht mit einem vom Mieter selbst zu organisierenden Umzug vergleichbar ist. Zudem kann die Wohnung auch von einem Bevollmächtigten herausgegeben werden. Die Mutter lebt nicht in der Wohnung und kann durch einen Pflegedienst betreut werden. Im Übrigen ist es dem Schuldner zuzumuten, vorübergehend in einer öffentlichen Einrichtung zu wohnen und sich von einem Arzt behandeln zu lassen, um Gefahren für seine Gesundheit zu verringern.

WAS IST ZU TUN?
Vollstreckungsschutz nach § 765a BGB wird gewährt, wenn wegen besonderer Härtegründe die Vollstreckung sittenwidrig erscheint. Dann kann eine Räumung aufgeschoben oder – laut Bundesverfassungsgericht nur in absoluten Ausnahmefällen – ganz eingestellt werden. Gerade bei Gesundheits- oder Suizidgefahr müssen das Grundrecht des Mieters auf Leben und körperliche Unversehrtheit einerseits und die Gläubigerinteressen andererseits sorgfältig abgewogen werden. Ein Schuldner muss den Vollstreckungsschutzantrag spätestens zwei Wochen vor dem Räumungstermin stellen. Um relativ schnell und kostengünstig zu räumen, können Vermieter das „Berliner Modell“ wählen. Dabei verbleibt die persönliche Habe des Schuldners zunächst in der Wohnung und wird dort verwahrt. Zu Recht hat hier das AG Hannover entschieden, dass der Schuldner dabei nicht anwesend sein muss, und ihm die Auflage erteilt, sich ambulant oder stationär behandeln zu lassen.

(Quelle: Immobilien Zeitung 24.10.2019, Ausgabe 43/2019)