Vollstreckungsschutz muss rechtzeitig beantragt werden

08. Oktober 2019

Stellt ein Mieter, der zur Räumung einer Wohnung verurteilt ist, in der Berufung keinen Vollstreckungsschutzantrag, darf das Revisionsgericht nicht anordnen, die Zwangsvollstreckung einzustellen. (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2018, Az. VIII 146/18)

Der Fall
Die Mieter eines Einfamilienhauses sind vom Vermieter auf Räumung verklagt und in der Berufungsinstanz auch dazu verurteilt worden. Das Berufungsgericht hat das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt (§ 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO ohne Sicherheitsleistung). Eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO wurde nicht ausgesprochen. In der Berufungsinstanz haben die Mieter keinen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt, sie stellen ihn aber mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH.

Die Folgen
Der BGH lehnte den Vollstreckungsschutzantrag als unbegründet ab. Das Revisionsgericht kann zwar bei vorläufig vollstreckbaren Urteilen auf Antrag die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Das gilt auch bei der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Einen solchen Nachteil stellt der Verlust der Wohnung und des Lebensmittelpunkts häufig dar. Kann der Schuldner aber diesen Nachteil selbst vermeiden, darf dem Vollstreckungsschutzantrag nicht stattgegeben werden. Hier sind die Mieter selbst schuld, weil sie den Antrag in der Berufungsinstanz nicht rechtzeitig gestellt haben. In solch einem Fall darf das Gericht dem Vollstreckungsschutzantrag nur noch stattgeben, wenn es dem Schuldner aus besonderen Gründen nicht möglich oder zumutbar war, den Antrag zu stellen. Solche Gründe haben die Mieter hier jedoch nicht angegeben. Auch wenn das Berufungsgericht den Mietern die Abwendungsbefugnis eingeräumt hätte, hätte das nicht geholfen: Denn auch wenn der Vermieter nur gegen Sicherheitsleistung hätte vollstrecken können, hätten sie durch die Räumung dennoch ihre Wohnung verloren.

Was ist zu tun?
Vermieter können sich gegen einen Vollstreckungsschutzantrag erfolgreich wehren. Dazu sollten sie sich gründlich mit den Begründungen des Schuldners und den formellen Voraussetzungen für den Antrag auseinandersetzen. Einstweiliger Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO darf gemäß § 714 Abs. 1 ZPO nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beantragt werden, und der Antrag muss begründet sein. Stellt der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag nicht rechtzeitig, darf das Gericht nur noch nachträglich entstandene Gründe berücksichtigen – oder der Schuldner muss die Verzögerung begründen. Darüber hinaus muss das Gericht die Interessen des Gläubigers gegen die des Schuldners abwägen, und ein Rechtsmittel muss Aussicht auf Erfolg haben.

(Quelle: Immobilien Zeitung 4.10.2019, Ausgabe 40-41/2019)