War Schließungsanordnung rechtswidrig, gibt es Entschädigung

08. Juni 2020

Die Regelung, wonach Einzelhandelsbetriebe mit einer Fläche von über 800 m² schließen mussten, um Covid-19 einzudämmen, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und ist verfassungswidrig. (VGH Bayern, Beschluss vom 27. April 2020, Az. 20 NE 20.793)

DER FALL
Ein Warenhausbetreiber beantragte im Eilrechtsschutzverfahren, dass eine Schließungsanordnung, die wegen der Corona-Krise gegen seinen über 800 m² großen Einzelhandelsbetrieb ergangen war, außer Vollzug gesetzt wird. Die Anordnung basierte auf der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BaylfSMV), wonach nur Verkaufsstellen des täglichen Bedarfs und Einzelhandelsbetriebe, deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m² nicht überschreiten, öffnen durften.

DIE FOLGEN
Der VGH hat die entsprechenden Regelungen in der 2. BaylfSMV für verfassungswidrig erklärt, sie jedoch aufgrund der Notstandslage und ihres baldigen Außerkrafttretens nicht außer Vollzug gesetzt. Die Verkaufsflächenbeschränkung ist nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, da sie im Wesentlichen ungleiche Sachverhalte gleich behandelt, ohne dies sachlich zu begründen. Insbesondere lässt sich nicht rechtfertigen, dass Fahrradläden und Buchhandlungen mit mehr als 800 m² Verkaufsfläche öffnen durften. Die Regelung ist verfassungswidrig. Jedoch ist der VGH im Eilverfahren davon ausgegangen, dass die Generalklausel des § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) zumindest in der Anfangszeit der Corona-Krise eine wirksame Rechtsgrundlage für die Betriebsschließungen darstellt.

WAS IST ZU TUN?
Der Beschluss zeigt, dass die Corona-Eindämmungsmaßnahmen der einzelnen Bundesländer zwar – gerade in der Anfangszeit der Krise – notwendig, aber gleichzeitig juristisch schwierig zu rechtfertigen waren. Es ist zweifelhaft, ob das IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Maßnahmen bietet und dem Parlamentsvorbehalt entspricht. Die 800-m²-Regelung dürfte jedenfalls unverhältnismäßig oder zumindest gleichheitswidrig sein. Dass in den meisten Eilverfahren die Eindämmungsmaßnahmen bestätigt oder zumindest nicht außer Vollzug gesetzt wurden, liegt vor allem am eingeschränkten Prüfungsmaßstab der Gerichte im Eilrechtsschutz. Im Falle einer zweiten Infektionswelle und neuen Beschränkungen des Einzelhandels ist zu empfehlen, Klagen gegen Betriebsschließungen im Hauptsacheverfahren anzustrengen. Nur so kann die Verfassungswidrigkeit der Corona-Eindämmungsmaßnahmen festgestellt werden. Dies wäre die Voraussetzung, um später Entschädigungen einzufordern. Händler können entsprechende Ansprüche nur geltend machen, wenn die Schließungsanordnungen rechtswidrig waren und dies festgestellt wird. Werden Einzelhandelsbetriebe rechtmäßig geschlossen, gibt es keine Entschädigungen.

(Quelle: Immobilien Zeitung 4.6.2020, Ausgabe 23/2020)