WEG darf teure, aber notwendige Sanierung nicht verweigern

26. Mai 2022

Bei zwingend erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen ist eine Beschlussersetzung zulässig, auch wenn die Sanierungsmaßnahmen zu einer hohen finanziellen Belastung der WEG führen.
(LG Hamburg, Urteil vom 24. März 2021, Az. 318 S 85/19)

Der Fall
Die Klägerin ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Seit 2014 trat in ihrer Wohnung immer wieder Feuchtigkeit auf, was sich in den Folgejahren zu erheblichen Feuchtigkeitsschäden verdichtete. Bei einer Dachöffnung, die die WEG-Verwaltung beauftragt hatte, wurde ein Schaden an der Balkenkonstruktion als Ursache der Feuchtigkeit festgestellt, jedoch nicht beseitigt. Ein Beschlussantrag der Klägerin im Hinblick auf die notwendigen Instandsetzungsarbeiten fand auf der Eigentümerversammlung keine Mehrheit. Daher klagte sie auf gerichtliche Beschlussersetzung.

Die Folgen
Das Landgericht bestätigt die vom Amtsgericht vorgenommene Beschlussersetzung. Damit kann die Klägerin verlangen, dass die Schäden am Dach beseitigt werden. Zwar steht die ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich im billigen Ermessen der WEG. Jedoch geht das LG hier von einer Ermessensreduktion auf null aus, denn die Gefahr, dass Feuchtigkeit durch das Dach eindringt und zu weiteren Schäden führt, macht eine sofortige Instandsetzungsmaßnahme zwingend erforderlich. Daran ändert auch eine hohe finanzielle Belastung der WEG nichts. Als Voraussetzung der Ermessensreduktion fordert das Gericht aber eine hinreichende Bestandsaufnahme der konkreten Schäden. Hierfür genügt eine stichprobenartige Bauteilöffnung. Der Einwand der Beklagten, die Beschlussersetzung greife unverhältnismäßig in ihr Recht auf Selbstorganisation und Privatautonomie ein, konnte das Gericht nicht überzeugen. Es sieht die Rechte hinreichend berücksichtigt, weil die Beschlussersetzung nur das „Ob“, nicht aber das „Wie“ der Dachsanierung regelt.

Was ist zu tun?
Das LG hat der Ermessensausübung einer WEG klare Grenzen gesetzt. Eigentümergemeinschaften ist zu empfehlen, zwingend nötige Instandsetzungsmaßnahmen zeitnah vornehmen zu lassen. Die Empfehlung gilt auch bei damit verbundenen hohen finanziellen Belastungen, denn nur so können Beschlussersetzungen und damit im Zusammenhang stehende Prozesskosten verhindert werden. Gleichzeitig hat das Gericht angedeutet, wie Kosten vorerst eingespart werden können: Bei der Bestandsaufnahme von Schäden genügt die stichprobenartige Bauteilöffnung. Sie ist günstiger als die vollumfängliche Schadensanalyse und sollte daher gewählt werden. Die Rechtsauffassung des Gerichts kann neben Dachsanierungen im Übrigen auch auf solche zwingend erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen angewandt werden, die andere wesentliche Gebäudebestandteile betreffen, beispielsweise Mauerwerk oder Leitungssystem.

(Quelle: Immobilien Zeitung 19.5.2022, Ausgabe 20/2022)