Weiterbauen trotz unwirksamer Baugenehmigung führt zu Abriss

16. Juni 2016

Wurde die Baugenehmigung für ein Bauvorhaben rechtskräftig aufgehoben, so ist auch die Anordnung der Beseitigung des bereits errichteten Gebäudes in aller Regel verhältnismäßig. (VG Berlin, Urteil vom 15. März 2016, Az. VG 13 K 255.15 (nicht rechtskräftig))

DER FALL
Der Kläger plante den Anbau eines Seitenflügels an ein Wohnhaus in der Berliner Innenstadt, die Baugenehmigung wurde aber auf die Klage des Nachbarn hin wegen Überschreitung der faktischen Baugrenzen und wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtskräftig aufgehoben (vgl. „Anbau kann trotz Baugenehmigung unzulässig sein“, IZ 19/14). Noch vor dem Urteil wurde der Rohbau des Seitenflügels fertig – nun soll er abgerissen werden. Der Bauherr klagt gegen die Beseitigungsanordnung. Er bietet als milderes Austauschmittel Teilrückbau der oberen vier Geschosse bis zum ersten Stabilisierungsrahmen an, sodass ein Vorsprung von ca. 70 cm gegenüber dem Bestandsbau verbleibt.

DIE FOLGEN
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Da die Rechtswidrigkeit des Anbaus bereits rechtskräftig festgestellt wurde, sei die zuständige Behörde gehalten, für seine Beseitigung zu sorgen. Ein Austauschmittel könne nur dann berücksichtigt werden, wenn es den rechtswidrigen Zustand komplett beseitigt. Zum Nachweis müsse der Bauherr die kompletten Bauunterlagen einreichen. Hier überschreite aber der Stabilisierungsrahmen die faktische Baugrenze um mindestens 40 cm, was wegen der damit verbundenen negativen Vorbildwirkung schon nicht als geringfügig einzustufen sei und damit außerhalb des Toleranzrahmens liege. Ob sich der Nachbar auf diese Rechtsverletzung berufen kann, sei für die Anordnung irrelevant. Die „unverhältnismäßig“ hohen Kosten für den Abriss können einer Beseitigungsverfügung regelmäßig nicht entgegengehalten werden.

WAS IST ZU TUN?
Das Urteil behandelt einen der seltenen Fälle, in denen eine Nachbarklage tatsächlich zum Abriss eines bereits errichteten Gebäudes geführt hat. Allgemein gilt, dass Widerspruch und Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung nicht zum Baustopp zwingen; der Bauherr kann weiter bauen (§ 212a BauGB), der Nachbar muss einen Stopp gerichtlich im Eilverfahren erzwingen. Jedoch schafft die Fertigstellung des Rohbaus keine vollendeten Tatsachen. Eine Abrissverfügung bleibt möglich – und ist mit hohen Kosten verbunden, die in aller Regel nicht auf die Baubehörde abgewälzt werden können. Wer trotz laufender Nachbarklagen baut, tut dies auf eigenes Risiko. Um sich diesem nicht auszusetzen, sollte das rechtliche Verhältnis mit den Nachbarn im Idealfall schon vor Baubeginn geklärt werden. Einzeln zu prüfende Möglichkeiten sind z.B.: frühe förmliche Zustellung der Baugenehmigung, um Präklusion herbeizuführen, Nachbarschaftsvereinbarungen, die Heilung gerügter Mängel in einem neuen Bebauungsplan und das Ausfechten der Nachbarklagen (insbesondere wenn keine nachbarrelevanten Rechtsverstöße vorliegen).

(Quelle: Immobilien Zeitung 9.6.2016, Ausgabe 23/2016)