Wirre Namen für Nachträge führen nicht zu Schriftformmangel
Mietrecht: Die Schriftform eines Mietvertrags mit Nachträgen kann auch dann gewahrt sein, wenn die Nummerierung der in Bezug genommenen bisherigen Nachträge der Auslegung bedarf. (OLG Braunschweig, Urteil vom 6. November 2014, Az. 8 U 62/14)
DER FALL
Der vierte Nachtrag zu dem zwischen den Parteien bis 2020 geschlossenen Mietvertrag nimmt Bezug auf die nicht näher individualisierten Nachträge 1 bis 4. Vorhanden sind ein „Nachtrag 1“, ein „Nachtrag Nr. 1“ sowie jeweils ein als zweiter bzw. dritter Nachtrag bezeichneter Vertrag. Der Vermieter begehrt die Räumung der Mietsache, bei der vorherigen Kündigung des Vertrags berief er sich auf Schriftformmängel.
DIE FOLGEN
Der Senat sieht die Schriftform als gewahrt an. Der vierte Nachtrag verweise auf vier bestehende Nachträge, was ausreiche. Eine weitere Individualisierung der Nachträge, etwa mit genauer Bezeichnung und Datum etc., sei zur Schriftformwahrung nicht erforderlich. Die Bezugnahme sei ausreichend, da vier Nachträge vorhanden und einbezogen worden seien. Die wegen der eigenwilligen Bezeichnung der Nachträge verbleibende Unsicherheit überbrückt das OLG durch Auslegung der Vertragsurkunden.
WAS IST ZU TUN?
Die Entscheidung liegt auf der Linie des BGH zur Auflockerung der Anforderungen an die Wahrung der Schriftform. Diese geht mittlerweile so weit, dass das durch §550 BGB geschützte Interesse eines potenziellen Erwerbers der Immobilie, sich anhand der Vertragsurkunden über die auf ihn beim Erwerb übergehenden Rechte und Pflichten zu informieren, faktisch zur Disposition gestellt wird und nur noch auf dem Papier steht. Auch wenn der Versuch, sich wegen eines Schriftformmangels von einem vermeintlich langfristig abgeschlossenen Mietvertrag zu lösen, mehr und mehr zum Lotteriespiel mit ungewissem Ausgang verkommt, sollte das nicht zur Nachlässigkeit bei der Vertragsgestaltung und -pflege verleiten. Denn nach wie vor lauern häufig Schriftformrisiken: Auch nach der vorliegenden Entscheidung ist es erforderlich, in einem Nachtrag auf alle vorangegangenen Mietvertragsvereinbarungen Bezug zu nehmen. Insoweit sollte man es sich zur Übung machen, unter anderem die Übergabeprotokolle zu studieren. Häufig finden sich dort neben den nicht schriftformrelevanten Punkten wie z.B. Zählerständen etc. rechtsgeschäftliche Regelungen, die das Protokoll rechtlich zum Nachtrag zum Mietvertrag werden lassen. Dies etwa dann, wenn im Mietvertrag der Mietbeginn an die Übergabe geknüpft wird und sich die Parteien im Protokoll darüber einigen, dass nicht der Tag der Übergabe, sondern ein anderes Datum maßgeblich sein soll. Weiterhin ist die gesamte Korrespondenz zum Vertragswerk nach Mietbeginn durchzusehen, ob relevante Änderungen im Mietverhältnis erfolgt sind. Wird z.B. außerhalb des Mietvertrags/der Nachträge anstelle einer im Mietvertrag vorgesehenen Nebenkostenpauschale eine Vorauszahlung mit Abrechnung vereinbart, bedarf dies einer schriftformkonformen Regelung, um langfristige Bindung zu wahren bzw. die Voraussetzung des § 550 BGB zu erfüllen.
(Quelle: Immobilien Zeitung 29.10.2015, Ausgabe 43/2015)