Wohnortnahe Versorgung ist kein Grund für ein Sondergebiet

18. April 2020

Ist in einem zentralen Versorgungsbereich eine geeignete Fläche verfügbar, darf außerhalb davon kein großer Lebensmitteleinzelhandel angesiedelt werden, auch wenn er eine Versorgungslücke schließt. (OVG NRW, Urteil vom 26. Februar 2020, Az. 7 D 49/16.NE)

Der Fall
Eine Gemeinde stellte für die Ansiedlung eines Lebensmittelverbrauchermarkts mit 1.000 m² Verkaufsfläche einen Bebauungsplan auf. Ziel der Planung war es, in einem Wohngebiet einen fußläufig erreichbaren Nahversorger zu etablieren, um eine Versorgungslücke zu schließen. Das Plangebiet lag 1,3 km von dem nächstgelegenen zentralen Versorgungsbereich entfernt.

Die Folgen
Das OVG hat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Er verstößt gegen das Integrationsgebot aus Ziel 2 Sachlicher Teilplan großflächiger Einzelhandel alter Fassung. Die Entscheidung ist auf Ziel 6.5-2 LEP NRW übertragbar: Danach dürfen Sondergebiete für Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO mit zentrenrelevanten Kernsortimenten, also Einkaufszentren und große Einzelhandels- bzw. Handelsbetriebe, nur in zentralen Versorgungsbereichen festgesetzt werden. Ausnahmen für großflächigen Einzelhandel kann es nur dann geben, wenn unter anderem eine Lage in den zentralen Versorgungsbereichen aus städtebaulichen oder siedlungsstrukturellen Gründen nicht möglich ist. Diese Gründe jedoch müssen nach der Überzeugung des OVG Nordrhein-Westfalen eng ausgelegt werden. Sie erfassen nicht den Fall, dass der zentrale Versorgungsbereich so weit entfernt ist, dass er eine wohnortnahe Versorgung im maßgeblichen Bereich nicht gewährleisten kann.

Was ist zu tun?
Ist ein großflächiger Nahversorger an einem Standort außerhalb zentraler Versorgungsbereiche geplant, müssen zunächst die Potenzialflächen, die in den zentralen Versorgungsbereichen vorhanden sind, sorgfältig geprüft werden. Eine Potenzialfläche ist nicht verfügbar, wenn der Eigentümer einen Grundstücksverkauf endgültig abgelehnt hat. Wann eine Potenzialfläche als ungeeignet ausgesondert werden kann, ist weitgehend unklar, insbesondere die Frage, ab wann ein wirtschaftlicher Mehraufwand für die Baureifmachung unzumutbar wäre. Sollte die Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass eine geeignete Potenzialfläche in einem zentralen Versorgungsbereich verfügbar ist, kann es keine Ausnahme von Ziel 6.5-2 LEP NRW geben. In diesem Fall folgt aus dem Integrationsgebot, dass für den Bereich des Plangebiets ein zentraler Versorgungsbereich neu ausgewiesen werden muss. Die plangebenden Gemeinden werden sich vor die Herausforderung gestellt sehen, integrierte Standorte, die für die Entwicklung eines zentralen Versorgungsbereichs in Betracht kommen, rechtzeitig zu identifizieren, um die wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten oder zu verbessern.

(Quelle: Immobilien Zeitung 9.4.2020, Ausgabe 15/2020)