Wohnungseigentümer darf Prozess allein führen

02. August 2021

Hat ein einzelner Wohnungseigentümer noch vor Inkrafttreten der WEG-Reform Rechte geltend gemacht, die sich aus Gemeinschaftseigentum ergeben, bleibt seine Prozessführungsbefugnis bestehen. (BGH, Urteil vom 7. Mai 2021, Az. V ZR 299/19)

Der Fall
Eigentümer benachbarter Grundstücke streiten über eine Bepflanzung an der Grundstücksgrenze. Ein Grundstück steht im Eigentum des Klägers und einer weiteren Person, die beiden bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte pflanzte auf ihrem Grundstück entlang der Grundstücksgrenze zu den Nachbarn Zypressen. Der Kläger verlangt deren Beseitigung, hilfsweise den Rückschnitt. Zum 1. Dezember 2020 änderte sich durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) die Rechtslage während des Prozesses.

Die Folgen
Der Kläger macht Rechte geltend, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben. Nach alter Rechtslage bestand für diese Rechte keine sogenannte geborene Ausübungsbefugnis der WEG-Gemeinschaft, vielmehr musste sie die Ausübung solcher Rechte erst an sich ziehen („gekorene Ausübungsbefugnis“). Nach neuer Rechtslage übt jetzt allein die WEG-Gemeinschaft diese Rechte aus (§ 9a Abs. 2 WEG), sodass der Kläger ab dem 1. Dezember 2020 nicht befugt wäre, den Prozess zu führen. Der BGH bejaht dennoch seine Prozessführungsbefugnis über diesen Stichtag hinaus: Obwohl die Übergangsvorschrift des § 48 Abs 5 WEG in Bezug auf schon anhängige Prozesse lediglich die Fortgeltung der Verfahrensvorschriften des 3. Teils des WEG anordnet, muss diese Regelung analog angewendet werden, weil eine planwidrige Regelungslücke besteht. Das ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber verkannt hat, dass nicht nur die in § 48 Abs. 5 WEG genannten Verfahrensvorschriften Auswirkungen auf schon anhängige Prozesse hätten, sondern auch § 9a Abs. 2 WEG, der die Prozessführungsbefugnis nun allein der WEG-Gemeinschaft zuweist. Insoweit hätte der Gesetzgeber bei Kenntnis dieser Tatsache auch eine entsprechende Übergangsvorschrift in Bezug auf § 9a WEG erlassen.

Was ist zu tun?
Ein Wohnungseigentümer, der als Kläger in einem vor dem 1. Dezember 2020 anhängig gemachten Verfahren Rechte geltend macht, deren Geltendmachung nach dem neuen Recht der WEG-Gemeinschaft obliegt, behält seine Prozessführungsbefugnis auch nach dem Stichtag, ohne dass es dafür einer gesonderten Handlung oder Erklärung bedarf. Die WEG-Gemeinschaft kann jedoch durch einen nach § 9b WEG berechtigten Vertreter gegenüber dem Gericht schriftlich erklären, dass sie in Bezug auf die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers einen entgegenstehenden Willen hat. Erst ab diesem Zeitpunkt erlischt die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Eigentümers.

(Quelle: Immobilien Zeitung 29.7.2021, Ausgabe 30/2021)