Zinsloses Erbbaurecht durch Ersitzung möglich
Ist ein Erbbaurechtsvertrag unwirksam, kann der Erbbauberechtigte ein Erbbaurecht durch Ersitzung erlangen, ohne zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet zu sein. (BGH, Urteil vom 22. Januar 2016, Az. V ZR 27/14)
DER FALL
Im Jahr 1974 bestellte ein Grundstückseigentümer für eine Gemeinde ein Erbbaurecht zur Errichtung einer Sportanlage. Der vereinbarte Erbbauzins wurde abgesichert durch Eintragung einer Reallast. In der Folge zahlte die Gemeinde zunächst den Erbbauzins gemäß der Reallast und schloss mit dem damaligen Eigentümer mehrfach Vereinbarungen über die Anpassung des Pachtzinses ab. Anfang 2012, also 38 Jahre später, stellte die Gemeinde die Zahlungen jedoch ein und berief sich darauf, dass der Abschluss des Erbbaurechtsvertrags seinerzeit nicht durch die Kommunalaufsichtsbehörde genehmigt worden sei. Mitte 2012 versagte die Kommunalaufsichtsbehörde sodann endgültig die Genehmigung. Der Grundstückseigentümer klagte auf Zahlung des Erbbauzinses für das Jahr 2012.
DIE FOLGEN
Der BGH entschied, dass sich aus dem Erbbaurechtsvertrag kein Zahlungsanspruch ergeben kann, weil dieser mangels erforderlicher Genehmigung durch die Kommunalaufsicht unwirksam sei. Vielmehr habe die beklagte Gemeinde das Erbbaurecht gemäß § 900 Abs. 1 und 2 BGB nach 30-jährigem Bestehen der Eintragung durch Ersitzung als „erbbauzinsloses Erbbaurecht“ erworben. Aus der Reallast kann kein Zahlungsanspruch folgen, so die Richter, weil diese nach Versagung der kommunalaufsichtsrechtlichen Genehmigung nicht wirksam bestellt worden sei und auch nicht nach § 900 BGB zusammen mit dem Erbbaurecht habe ersessen werden können. Auch die gezogenen Nutzungen könnten nicht als rechtsgrundlose Leistung herausverlangt werden. Die Ersitzung trage ihren Rechtsgrund in sich, sodass ein Rückgriff auf das Bereicherungsrecht ausgeschlossen sei. Zahlungsansprüche kämen demnach allenfalls über eine Korrektur im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben in Betracht.
WAS IST ZU TUN?
Mit dem vorliegenden Urteil entschied der BGH jetzt einen Meinungsstreit zur Ersitzung, der bereits seit Zeiten des Reichsgerichts bestand. Nach der vorliegenden Entscheidung ist die Ersitzung eines Erbbaurechts erbbauzinsfrei möglich. Die Rechtsfolgen bestimmen sich maßgeblich nach Treu und Glauben. Da die gebotene Einzelfallbetrachtung stets von Wertungsfragen abhängt, sollten betroffene Grundstückseigentümer nicht abwarten, ob sich ein Erbbauberechtigter nach Ablauf der 30-jährigen Frist auf die Unwirksamkeit des Erbbaurechtsvertrages und Buchersitzung beruft, und es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen. Eigentümer sind deshalb gut beraten, ihre Erbbauverträge vor Ablauf der Frist kritisch auf deren Wirksamkeit zu überprüfen, um später böse Überraschungen zu vermeiden.
(Quelle: Immobilien Zeitung 9.3.2017, Ausgabe 10/2017)