Zwangsverwalter kann keine Räumung fordern

17. Mai 2016

Die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung durch das Gericht hat lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung. Ein materiell-rechtlicher Herausgabeanspruch des Zwangsverwalters wird hierdurch nicht begründet. (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2015, Az. V ZR 191/14)

DER FALL
Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Grundstücks, das mit einem Wohnungsrecht der Beklagten belastet ist. Die Zwangsvollstreckung wird aus einer vorrangigen Grundschuld betrieben. Grundstückseigentümerin war eine GbR. 1998 bestellten die Gesellschafter der GbR die Grundschuld und unterwarfen sich hinsichtlich des dinglichen Anspruchs und der persönlichen Haftung der Zwangsvollstreckung. Im Jahr darauf übertrug die Beklagte ihren GbR-Anteil an die Schuldnerin, die der Beklagten hierfür ein lebenslanges Wohnrecht einräumte und die Grundschuld und die schuldrechtlichen Pflichten übernahm. Zudem vereinbarten die Schuldnerin und die Beklagte einen Mietvertrag auf Lebenszeit der Beklagten, dessen Miete bereits durch von der Beklagten geleistete Ausbaukosten abgegolten sei. Der Kläger wurde 2011 zum Zwangsverwalter bestellt und zur Besitzverschaffung ermächtigt. Er forderte erfolglos eine Nutzungsentschädigung, kündigte den Mietvertrag wegen Verzugs und forderte die Beklagte zur Räumung auf. Die auf Zahlung rückständiger und künftiger Nutzungsentgelte gerichtete Klage hatte zunächst Erfolg. Die Revision führte zur Aufhebung.

DIE FOLGEN
Laut BGH kann der Zwangsverwalter keine Herausgabe verlangen. Zwar sei er berechtigt, gegenüber einem unberechtigten Besitzer Herausgabeansprüche geltend zu machen (§ 150 Abs. 1 ZVG); die Beklagte aber sei als Inhaberin eines eingetragenen Wohnrechts zum Besitz berechtigt. Aus der Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung (§150 Abs.2 ZVG) folge kein Herausgabeanspruch. Die Anordnung habe nur verfahrensrechtliche Bedeutung und begründe keinen Anspruch, der nach der Rechtslage nicht besteht. Ein Räumungsanspruch folgt auch nicht aus § 546 BGB. Zwar sei der Kläger zur Geltendmachung der Rechte aus dem Mietvertrag ermächtigt. Die Parteien haben aber wirksam vereinbart, dass sich die Gegenleistung auf die pauschalisierte monatliche Beteiligung an der Hälfte der Grundstückslasten beschränkt. Mangels Zahlungsverzugs bestand zudem kein Kündigungsrecht.

WAS IST ZU TUN?
Dem BGH ist zuzustimmen. Die Vollstreckungsgläubigerin hatte die Möglichkeit, eine Erstreckung der Klausel ihres Titels gegen die Eigentümerin auf die Beklagte als Inhaberin des nachträglich bestellten Wohnrechts zu beantragen. Dann hätte die Zwangsvollstreckung betrieben werden können. Durch die Anordnung der unbeschränkten Zwangsverwaltung wird kein (zusätzlicher) Herausgabeanspruch begründet. Da die Beteiligung der Beklagten an der Hälfte der Grundstückslasten genügt, um die Vereinbarung aus dem Jahr 1999 als Mietvertrag und nicht als Leihvertrag einzustufen, ist der Kläger als Zwangsverwalter an diese gebunden.

(Quelle: Immobilien Zeitung 12.5.2016, Ausgabe 19/2016)